HAUSBAU | STUDIEN UND ANALYSEN
BAURECHTSSTREITIGKEITEN
Umfrage zur Auswertung baurechtlicher Mandate
Gemeinschaftsprojekt vom Bauherren-Schutzbund e. V. und dem Institut für Bauforschung e. V.
Auftraggeber:
Bauherren-Schutzbund e. V. (BSB) , Kleine Alexanderstr. 9/10 10178 Berlin
Bearbeitung:
Institut für Bauforschung e. V., An der Markuskirche 1, 30163 Hannover Dipl.-Ing. Heike Böhmer, GF Direktorin Dipl.-Ing. Janet Simon, wiss. Mitarbeiterin RA Horst Helmbrecht, wiss. Mitarbeiter
Bericht : 10.11.2016, IFB – 16555
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung / Vorwort
2. Anzahl der bewerteten (abgeschlossenen) Baurechtsfälle
3. Durchschnittlicher Streitwert pro Mandat
4. Prozentuale Anteile der Streitgegenstände
5. Streitgegenstand vor / nach Abnahme
6. Gründe des Rechtsstreites
7. Beendigung des Verfahrens durch Urteil / Vergleich / sonstige Erledigung
8. Sachverständigengutachten
9. Fazit
1. Einleitung / Vorwort
Rechtsstreitigkeiten sind für Bauherren eine langwierige, kostspielige und vor allem nervenaufreibende Angelegenheit. Insbesondere dann, wenn (oft aus Kostengründen) eine rechtliche Beratung bei Abschluss der Bauverträge vermieden wurde und der Rechtsanwalt erst später hinzugezogen wird.
Auch bei gut vorbereiteten, fachgerecht geplanten und begleiteten Bauvorhaben sind Rechtsstreitigkeiten nie ganz auszuschließen; sie lassen sich jedoch auf ein Minimum reduzieren.
Das private Baurecht stellt sich als komplexes Thema dar, wodurch sich Rechtsstreitigkeiten in diesem Bereich oft als zeit- und kostenintensiv erweisen. Um die Hintergründe und insbesondere die möglichen Kosten von Baurechtsstreitigkeiten zu erfassen, hat der Bauherren- Schutzbund e.V. nach einer Umfrage in 2008/09 eine erneute Umfrage unter seinen Vertrauensanwälten zu diesem Thema durchgeführt.
Grundlage der aktuellen Untersuchung waren 1.344 baurechtliche Mandate aus den Jahren 2014/15. Abgefragt wurden bei der Umfrage unter anderem die Kosten für die Verbraucher, die Art der Beendigung des jeweiligen Rechtsstreits und die Zuordnung zu den Gewerken.
Gezielt erfragt und evaluiert wurden die Streitwerte der ausgewerteten baurechtlichen Mandate sowie die Rechtsfolgekosten, außerdem die prozentualen Anteile der Mandate hinsichtlich der Streitgegner der privaten Bauherren. Darüber hinaus sollte untersucht werden, welche Schwerpunkte es beim Streitgegenstand vor und nach der Abnahme gab und welche Bereiche beim Bauen hauptsächlich Gegenstand eines Rechtsstreits waren. Auch die Rechtsfolgekosten für den Verbraucher sollten beleuchtet werden.
Die folgende Studie zeigt auf, welche (Kosten-)Risiken mit der Durchführung von Bauvorhaben, insbesondere für private Bauherren einhergehen. Gleichzeitig werden Hinweise gegeben, wie diese Risiken zu minimieren sind.
2. Anzahl der bewerteten (abgeschlossenen) Baurechtsfälle
Insgesamt wurden die Daten zu 1.344 abgeschlossenen baurechtlichen Mandaten mit Verbrauchern aus den Jahren 2014/15 ausgewertet. Die Fälle wurden den verschiedenen Bau-beteiligten wie folgt zugeordnet: Am häufigsten mit rund 42 Prozent kam es zu Streitigkeiten mit Bauträgern, dicht gefolgt von Streitigkeiten mit Generalunternehmern (GU, bietet vertraglich komplett alle Leistungen zur Errichtung eines Hauses an. Allerdings erbringt der GU nur einen Teil der Bauleistungen selbst und vergibt zahlreiche Gewerke an Nachunternehmer.) und Generalübernehmern (GÜ, erbringt selbst keine Bauleistungen, sondern vergibt sämtliche Leistungen an Nachunternehmer. Der GÜ sieht seine Rolle lediglich in der Koordination.) mit rund 30 Prozent. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass stets der Generalunternehmer beziehungsweise der Generalübernehmer Vertragspartner des privaten Bauherren ist und nicht der Nachunternehmer.
Zu Differenzen mit Architekten kam es in rund 18 Prozent der Fälle. Am seltensten kommt es laut dieser Umfrage zu Differenzen mit Versicherungen und mit Sonderfachleuten.
Abb. 1: Grafik der zugeordneten Baurechtsfälle
Die Gegenüberstellung der Zahlen aus den beiden Umfragen zur Zuordnung der Baurechtsfälle aus 2008/09 und 2014/15 in der folgenden Grafik zeigt, dass der Anteil der Rechtsstreitigkeiten mit Bauträgern, GU/GÜ und Architekten in den letzten Jahren gestiegen ist. Demgegenüber ist der Anteil von Streitigkeiten wegen Einzelgewerken, mit Sonderfachleuten und Versicherungen gesunken.
Abb. 2: Grafik Gegenüberstellung der zugeordneten Baurechtsfälle
Die Grafik (Abb. 2) spiegelt die derzeitige Marktsituation in Deutschland wider. Hauptsächlich im Ein- und Zweifamilienhausbereich kauften Bauherren laut Umfrage immer häufiger ihr Gebäude „aus einer Hand“. Auch interne Erhebungen des Bauherren Schutzbund e.V. belegen, dass die Zahl der Bauvorhaben, die mit Bauträgern oder so genannten „Schlüsselfertig-Anbietern“ realisiert werden, in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Dementsprechend seltener wurden Einzelgewerke und Sonderfachleute direkt vom Bauherren beauftragt, dies spiegelt sich auch in einem sinkenden Anteil der baurechtlichen Mandate privater Bauherren in diesen Bereichen wider.
3. Durchschnittlicher Streitwert pro Mandat
Die Spanne der Streitwerte der 1.344 ausgewerteten baurechtlichen Mandate aus den Jahren 2014/15 lag zwischen 350,00 € und 2.500.000,00 €.
Der durchschnittliche Streitwert aus einer ergänzenden Erhebung für diese Jahre lag bei rund 26.000,- € je Baurechtsfall. Der Streitwert bemisst sich in der Regel nach den Mangel-und Mangelfolgeschadenbeseitigungskosten. Bei einer mangelhaft ausgeführten Gebäudeabdichtung betrifft dies z.B. die Kosten für die Beseitigung des Mangels an der Abdichtung, also der Herstellung der Gebäudeabdichtung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, sowie die Kosten für die Beseitigung ggf. aufgetretener Mangelfolgen, wie z.B. Durchfeuchtungen am Gebäude. Diese Kosten ergeben zusammen den Streitwert.
Der prozentuale Anteil der Streitfälle mit einem Streitwert über 5.000,00 € war bei der aktuellen Umfrage im Vergleich zur Umfrage aus 2008/09 etwa gleich geblieben und lag auch hier bei knapp über der Hälfte der Streitfälle.
Im Rahmen von Baurechtsstreitigkeiten können sich aus der Arbeit von Sachverständigen, Gerichten und Rechtsanwälten erhebliche Kosten ergeben. Die folgende Grafik (Abb. 3) zeigt auf, wie die durchschnittlichen Kosten für Bauherren im Rahmen derartiger Streitigkeiten einzuschätzen sind: Laut Umfrage lagen die durchschnittlichen Rechtsverfolgungskosten für die hier ausgewerteten Mandate bei außergerichtlicher Einigung bei rund 1.300,- € pro Mandat, für gerichtliche Verfahren bei rund 5.700,- € pro Mandat. Die Kosten für selbständige Beweisverfahren beliefen sich auf durchschnittlich 9.200,- €, etwaige Gutachterkosten lagen pro Mandat bei durchschnittlich 3.800,- €. Bei rund 1/4 der Mandate mussten außergerichtliche bzw. gerichtliche Sachverständigengutachten zur Klärung der Sachverhalte herangezogen werden.
Diese Zahlen belegen, dass Baurechtsstreitigkeiten für Bauherren ein erhebliches Kostenrisiko darstellen können.
Abb. 3: Grafik Kosten Baurechtsstreitigkeiten
Die Auswertung der Angaben zur Frage nach dem Anteil der außergerichtlich / gerichtlich beendeten Fälle ergab, dass 66 Prozent der Fälle außergerichtlich und 34 Prozent gerichtlich abgeschlossen wurden. Diese Zahlen decken sich in etwa mit der letzten Umfrage aus 2008/09, bei der auch etwa 1/3 der Streitfälle gerichtlich und 2/3 außergerichtlich beendet wurden.
4. Prozentuale Anteile der Streitgegenstände
Die Abb. 4 zeigt die prozentualen Anteile der unterschiedlichen Streitgegenstände der ausgewerteten baurechtlichen Mandate. Häufigste Konfliktquelle mit fast 1/3 der Fälle (28 Prozent) waren Mängel vor der Abnahme, in 24 Prozent der Fälle Mängel nach der Abnahme. 10 Prozent der Streitfälle standen in Zusammenhang mit Firmeninsolvenzen. Vertragsverstöße und Schadenersatzforderungen waren zu 22 Prozent Ursache eines Rechtsstreits und Leistungsverweigerungen zu 16 Prozent.
Abb. 4.: Grafik Streitgegenstand
Als Leistungsverweigerung ist in diesem Zusammenhang die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen Mängeln an der Bauleistung zu verstehen. Eine Leistungsverweigerung ist regelmäßig gegeben, wenn Mängel an der vereinbarten Bauleistung auftreten. Das Zurückbehaltungsrecht macht in der Regel das Doppelte der mutmaßlichen Mangelbeseitigungskosten aus.
Am häufigsten wurde im Rahmen der hier analysierten baurechtlichen Mandate um Mängel vor und nach der Abnahme gestritten. Diese beiden Bereiche wurden nachfolgend in die Tiefe betrachtet und die Mängel den einzelnen Bauphasen zugeordnet.
5. Streitgegenstand vor / nach Abnahme
Sowohl vor, als auch nach der rechtsgeschäftlichen Abnahme eines Bauvorhabens lag der Streitgegenstand laut Umfrage hauptsächlich bei den Bauphasen Keller / Abdichtung, Rohbau sowie Fenster und Türen (vgl. Abb. 5). Dem Rohbau muss diesbezüglich das Hauptaugenmerk gelten. In rund 1/3 der Fälle wurde gemäß Auswertung der vorliegenden baurechtlichen Mandate wegen Fehlern und Mängeln beim Rohbau gestritten.
Abb. 5: Grafik Gegenüberstellung Streitgegenstand vor / nach Abnahme
6. Gründe des Rechtsstreites
Gründe für Rechtsstreite rund um Bauvorhaben ergaben sich nach einer gesonderten Auswertung von 928 Mandaten mit etwa 26 Prozent bei Honoraren / Werklohn, mit knapp 20 Prozent bei Baukosten, mit 15 Prozent bei Feuchteschutz, mit 10 Prozent bei Wärmeschutz und mit knapp 14 Prozent bei Planungsleistungen (vgl. Abb. 6).
Abb. 6: Grafik Gründe eines Rechtsstreits
Wurden Rechtsstreite hinsichtlich Honoraren / Werklohn geführt, ist dies in der Regel auf verschiedene Motive zurückzuführen. Letztendlich wurde das Honorar bzw. der Werklohn nicht oder nicht in Gänze gezahlt. Gründe hierfür können beispielsweise die Überschreitung der Baukosten z.B. aufgrund von Nachträgen, die Überschreitung der Bauzeit, das Nichterreichen eines vereinbarten Gebäudestandards, die gerichtliche Geltendmachung eines Werklohnanspruchs des Unternehmers, den der Bauherr aufgrund von Baumängeln nicht erfüllen will, etc. sein.
7. Beendigung des Verfahrens durch Urteil / Vergleich / sonstige Erledigung
In 34 Prozent der untersuchten baurechtlichen Mandate konnte man sich bei Unklarheiten / Streitigkeiten im Rahmen eines Bauvorhabens nicht außergerichtlich einigen. Diese Fälle wurden gerichtlich anhängig gemacht. 41 Prozent dieser Fälle wurden in der ersten Instanz entschieden, knapp 11 Prozent in der Berufungsinstanz. 0,3 Prozent der Fälle mussten vom Bundesgerichtshof entschieden werden. Verglichen haben sich die Parteien in 38,5 Prozent der Fälle.
Abb. 7.: Grafik Beendigung der gerichtlichen Verfahren
8. Sachverständigengutachten
Von den befragten Vertrauensanwälten des BSB wurden insgesamt 343 Sachverständigengutachten herangezogen. Das bedeutet, dass bei ca. einem Viertel der Mandate zur Klärung einer Streitigkeit die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit den entsprechenden Kosten notwendig war.
Die durch Sachverständigengutachten durchschnittlich ausgelösten Kosten betragen rund 3.800,- €. Damit sind die Gutachterkosten gegenüber der Voruntersuchung um über 25 Prozent gestiegen.
9. Fazit
Rechtsstreitigkeiten sind für Bauherren, aber auch für alle anderen am Bau Beteiligten eine langwierige, oft kostenintensive und nervenaufreibende Angelegenheit. Dabei lassen sich bestimmte Risiken schon im Vorfeld minimieren. Eine Vertragsprüfung vor Unterzeichnung des Bauvertrages hilft, das Risiko eines späteren Rechtsstreites erheblich zu reduzieren.
Die Praxis zeigt: Wer als Bauherr noch vor Vertragsabschluss juristischen Rat in Anspruch nimmt, minimiert von vornherein das Konfliktpotenzial. Geprüft wird vor Vertragsabschluss insbesondere der Bauvertrag inklusive der Bau- und Leistungsbeschreibung für das Bauvorhaben. Diese Vertragsunterlagen werden in der Regel vom Bauunternehmen vorformuliert, sie werden bei der Vertragsprüfung auf Ausgewogenheit, Klarheit und Vollständigkeit hin überprüft.
In diesem Zusammenhang ist es für private Bauherren wichtig zu wissen, dass selbst bei bestehender Rechtsschutzversicherung Baurechtsfälle in der Regel nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind, die Kosten eines Baurechtsstreites folglich vom Bauherrn zu tragen sind.
Außerdem sind Baurechtsstreitigkeiten in aller Regel zeitaufwendig. Die Länge eines Bauprozesses innerhalb einer Instanz über mehrere Jahre ist leider nicht die Ausnahme. Hinzu kommt das Prozessrisiko, nämlich die Frage, ob der Rechtsstreit zugunsten des Bauherrn entschieden wird. Das generelle Kostenrisiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung ließe sich minimieren, wenn Bauherren sich noch vor Vertragsunterzeichnung umfassend beraten und ihre Bauverträge, Bau- und Leistungsbeschreibungen prüfen lassen.
Um das Risiko einer Insolvenz der beauftragten Firma zu vermeiden, das laut der vorliegenden Auswertung immerhin in rund 10 Prozent der Fälle zu einem Rechtsstreit führt, ist im Rahmen der Vertragsprüfung eine Prüfung der wirtschaftlichen Solvenz in Form einer Bonitätsbewertung des jeweiligen Unternehmens zu empfehlen.
Baumängel und deren Beseitigung gelten als Hauptursachen für juristische Streitigkeiten. Damit das Bauvorhaben fachgerecht geplant, errichtet und die vertraglich vereinbarte Bauqualität auch erreicht wird, ist eine unabhängige fachliche Begleitung der Baumaßnahme durch so genannte baubegleitende Qualitätskontrollen im Rahmen der Bauausführung von Bauvorhaben anzuraten. Werden Mängel im Ansatz entdeckt und sofort beseitigt, können sie sich nicht zum Gegenstand von Streitigkeiten entwickeln. Diese Aussage wird auch durch die Ergebnisse einer gemeinsamen Untersuchung des BSB und des IFB zur „Bauqualität beim Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern“ gestützt. Sowohl Bauherren als auch Baufirmen bleiben damit häufig aufwändige juristische Auseinandersetzungen erspart.
Die Verfasser
Hannover, 10.11.2016
(Quelle: Bauherren-Schutzbund e.V.)