Veräußerung eines Altbaus mit Bauverpflichtung: Kauf- oder Werkvertragsrecht?

 

 

Veräußerung eines Altbaus mit Bauverpflichtung: Kauf- oder Werkvertragsrecht?

21.01.2016

OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.05.2015, Az.: 24 U 92/14

BSB-Vertrauensanwalt Mario van Suntum kommentiert

 

Geklagt 
Drei Erwerber kauften jeweils mit einem notariellen Kaufvertrag eine Eigentumswohnung. In den als „Kaufvertrag“ bezeichneten notariellen Verträgen ist der Ausschluss der Gewährleistung vereinbart. Die Wohnungen bewarb der Verkäufer mit einem Exposé, nach dem u. a. Balkone angebaut werden sollten. Dieses Exposé wurde im notariellen Vertrag nicht mit beurkundet. Der Veräußerer ließ die Balkonanlage durch einen Nachunternehmer noch vor Beurkundung des ersten Kaufvertrages errichten. Bereits im ersten Winter verformten sich die Stahlrohstützen der Balkonanlage, so dass diese nicht mehr standsicher war. Die aus den drei neuen Eigentümern bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss, deswegen Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer geltend zu machen. Nach Ablauf einer Nachbesserungsfrist verlangte die Wohnungseigentümergemeinschaft u. a. Schadensersatz in Höhe der durch einen Sachverständigen ermittelten Nachbesserungskosten.

 

Entschieden
Anders als zuvor das Landgericht entschied das OLG Düsseldorf zugunsten der Eigentümergemeinschaft. Die Balkonanlage ist mangelhaft. Der im Notarvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss steht der Haftung des Verkäufers nicht entgegen. Ein solcher  Ausschluss der Erwerberrechte wäre nur bei einer kaufrechtlichen Gewährleistungshaftung denkbar. Richtet sich die Haftung des Veräußerers dagegen – wie in diesem Falle in Bezug auf die angebauten Balkone - nach Werkvertragsrecht, ist der Ausschluss der Gewährleistung nur nach eingehender Erörterung und ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen durch den Notar möglich. Daran fehlt es. Der Verkäufer hat – wie sich aus dem Exposé ergibt –  für die Balkone eine Herstellungspflicht übernommen. Diese gilt auch dann, wenn die übernommenen Arbeiten bereits vor Vertragsschluss ausgeführt wurden. Diese Herstellungspflicht wurde verletzt.

 

Kommentiert
Der Erwerb von Eigentumswohnungen mit Herstellungspflichten wird zwar in der notariellen Praxis häufig als „Kaufvertrag“ überschrieben. Tatsächlich richten sich die Gewährleistungsansprüche der Erwerber aber in vielen Fällen nach Werkvertragsrecht. Sind die im Rahmen der Herstellungspflicht übernommenen Arbeiten ihrer Art und Umfang nach mit Neubauarbeiten vergleichbar, ist auf den gesamten Vertrag die werkvertragliche Mängelhaftung anzuwenden. Hat der Veräußerer nur einzelne Arbeiten übernommen und dabei seine Herstellungspflicht verletzt, gelten dafür auch die Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechtes. Der Rest unterliegt dem Kaufrecht. Der Unterschied ist bedeutsam. Anders als beim Kaufrecht ist ein Gewährleistungsausschluss bei werkvertraglicher Mängelhaftung in einem Notarvertrag mit allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) überhaupt nicht wirksam. In einem notariellen Individualvertrag ist ein solcher Ausschluss nur unter ganz engen Voraussetzungen rechtswirksam.

Januar 2016 - Mario van Suntum, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Leipzig

 

(Quelle: Bauherren-Schutzbund e.V.)