Kann bei Insolvenz des Unternehmers der Bauvertrag sofort gekündigt werden?

 

 

Kann bei Insolvenz des Unternehmers der Bauvertrag sofort gekündigt werden?

15.07.2016

BGH - Urteil vom 07.04.2016 - VII ZR 56/15

BSB-Vertrauensanwalt Andreas Schmidt kommentiert

 

Geklagt
Ein Bauherr schließt mit einem Bauunternehmen einen Vertrag über die Errichtung eines Geschäftshauses auf Basis der Vertragsordnung für Bauleistungen VOB/B ab. Nach der dort enthaltenen besonderen Kündigungsregelung kann der Auftraggeber im Insolvenzfall des Unternehmens den Vertrag kündigen. Als der Bauunternehmer während des Bauvorhabens einen Insolvenzantrag stellt, kündigt der Bauherr den Vertrag fristlos mit sofortiger Wirkung unter Berufung auf § 8 der VOB/B. Danach nimmt er die Bürgin des Bauunternehmers wegen der Restfertigstellungskosten in Anspruch. Diese verweist darauf, dass der entsprechende Paragraph der VOB/B unwirksam sei. Denn dem Insolvenzverwalter des Bauunternehmers stünde nach der Insolvenzordnung das Wahlrecht zu, ob er den Bauvertrag erfüllen will oder die Erfüllung ablehnt. Der Bauherr erhebt Klage auf Zahlung der Restfertigstellungskosten.

 

Entschieden
Der Bundesgerichtshof hält die fristlose Kündigung des Bauherrn unter Verweis auf die VOB/B für wirksam und spricht dem Bauherrn die Restfertigstellungskosten zu. Das Gericht weist zu Recht darauf hin, dass ein Bauvertrag ohnehin nach § 649 BGB kündbar sei und die besondere Interessenlage der Vertragspartner beim Bau zu beachten wäre. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Bauunternehmer durch seinen Eigeninsolvenzantrag die Durchführung des Bauvorhabens nachhaltig gefährdet habe. Im Ergebnis müsse demnach das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ausnahmsweise zurückstehen, ob er einen Bauvertrag erfüllen will oder nicht.

 

Kommentiert
Jahrelang wurde diese wichtige Rechtsfrage sehr kontrovers diskutiert. Endlich hat der BGH für Rechtsklarheit gesorgt. Für Bauherren stellt sich nun die Frage, ob sie die VOB/B in einen Bauvertrag mit einbeziehen müssen. Aus Verbrauchersicht kann davon nur abgeraten werden. Die VOB/B stellt spezielle Vertragsbedingungen für gewerblich am Bau Beteiligte dar. Die Regelungen weisen für Verbraucher erhebliche Nachteile und wegen der sehr formellen Anforderungen auch Risiken auf. In Zukunft sollte nur der Text aus Paragraf 8 der VOB/B in den Bauvertrag aufgenommen werden, ohne dass die gesamte VOB Vertragsbestandteil werden muss. Aber Achtung! Das sofortige Kündigungsrecht ist vom BGH nur für den Eigeninsolvenzantrag des Unternehmers anerkannt worden. Wegen der Komplexität der Rechtsfragen sollten sich Bauherren im Insolvenzfall unverzüglich an einen spezialisierten Anwalt wenden.

Juli 2016 - Andreas Schmidt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Köln

 

(Quelle: Bauherren-Schutzbund e.V.)