Bauherr muss nicht bis Schadenseintritt warten!

 

 

Bauherr muss nicht bis Schadenseintritt warten!

15.01.2016

OLG Karlsruhe Urteil vom 29.11.2013 – 13 U 80/12

BSB Vertrauensanwalt Manfred Raber kommentiert

 

Geklagt 
Der Bauherr möge sich beruhigen, trotz langjähriger Nutzung seines Hauses sei kein Schaden eingetreten - dieser Einwand von Baufirmen nach Mängelfeststellung gilt als Klassiker unter den Beschwichtigungen. Ein Bauherr in Baden-Württemberg hatte ein Bauunternehmen mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Einfamilienhauses beauftragt. Innerhalb der Gewährleistungszeit stellte er an der Dampfbremse Fehlstellen und Undichtigkeiten fest. Daraufhin forderte er den Auftragnehmer zur kompletten Erneuerung der Dampfbremsfolie auf. Da das Bauunternehmen dieser Aufforderung nicht nachkam, klagte er einen Vorschuss von 24.000 Euro auf die Mangelbeseitigungskosten ein.

 

Entschieden
Der vom Landgericht Freiburg beauftragte Sachverständige fand bei Bauteilöffnungen nur kleine Leckagen. Eine  Blower-Door-Messung ergab sogar einen besseren Wert als die normative Vorgabe. Folgeschäden wie Zugluft oder Feuchtigkeit wurden nicht registriert. Deshalb folgerte der Sachverständige, es reiche aus, die Fehlstellen mit einem Kostenaufwand von ca. 5.000 Euro zu beheben. Eine vollflächige Erneuerung der Dampfbremse sei nicht erforderlich. Das Gericht wies daraufhin die Klage des Bauherrn auf einen Vorschuss von mehr als 5.000 Euro ab. Die Berufung gegen dieses Urteil war erfolgreich, denn das OLG Karlsruhe gab der Klage des Bauherrn in vollem Umfang statt.

Das OLG korrigierte zunächst den Einwand, der Sachverständige habe nur einzelne und keine komplette Bauteilöffnungen durchgeführt. Damit, so das OLG, sei durchaus die Mangelhaftigkeit des Werkes nachgewiesen. Der Bauherr muss sich also nicht auf das vom Sachverständigen empfohlene „Flickwerk“ durch Ausbessern von Fehlstellen einlassen. Er hat Anspruch auf die vollflächige Erneuerung der Dampfbremsfolie. Dabei ist ohne Bedeutung, ob und welchem Umfang bereits Feuchteschäden eingetreten sind. Wenn die Werkleistung eines Unternehmens nur das Risiko eines späteren Schadens in sich birgt, muss ein solcher nicht erst abgewartet werden. Bereits die Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs begründet die Annahme eines Baumangels.

 

Kommentiert
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BGH. Viel zu oft lassen sich Bauherren bei Mängeln vom ausführenden Unternehmen mit dem Argument beschwichtigen, ein Mangel sei nicht vorhanden, weil kein Schaden eingetreten sei. Passiert das dann doch, ist oft die Gewährleistungsfrist vorbei. Gutachter neigen aus pragmatischen Gründen - auch in Verkennung der Rechtsprechung - dazu, angesichts der Unverhältnismäßigkeit einer Mangelbeseitigung preisgünstige Sanierungsmaßnahmen zu empfehlen. Die allerdings entlasten nur den Auftragnehmer. Kein Bauherr muss das hinnehmen. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe hat einmal mehr das Recht des Auftraggebers und damit des Verbrauchers gestärkt.

Januar 2016 - Manfred Raber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Erfurt

 

(Quelle: Bauherren-Schutzbund e.V.)